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Star-Pianist begeistert beim christlich-jüdischen Symposium des Worthaus e.V.

 

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Spät, ganz spät gingen die Lichter noch einmal an im Kuppelsaal der einstigen Synagoge. Die Konferenz war für diesen Tag längst zu Ende. Doch eine junge Frau mit einem Cello wurde noch erwartet – und Ihr Ehemann, für den der Konzertflügel frisch gestimmt worden war.

Beide sollten den Konferenztag mit einem Konzert krönen: Bach, Beethoven, Bloch, Mendelssohn. 250 Menschen aus ganz Deutschland hatten sich zwei Tage und einen Abend lang intensiv mit dem Verhältnis von Judentum zu Christentum befasst; da passte das Programm perfekt.

Nur: Die Organisatoren vom Worthaus-Verein mussten den ganzen Tag über bangen. Der Pianist steckte in London am Flughafen fest. Tags zuvor hatte er dort mit dem Rundfunkorchester der BBC ein Konzert gegeben. Dann war irgendwas mit dem Gepäck … Der Pianist kam nicht fort. Dabei war er schon kurz nach 5 Uhr am Hotel abgeholt worden und zum Flughafen gebracht worden.

In Görlitz gerieten die Pläne ins Wanken. Würde es noch etwas werden mit dem 20-Uhr-Konzert?

Nachmittags stand fest: Nein, das würde nichts werden. Vielleicht eine Stunde später. Der Pianist wollte ja unbedingt anreisen; er hatte vorgeschlagen, genau dieses Programm gemeinsam mit seiner Frau, der Cellistin, zu diesem Anlass an diesem Ort zu spielen.

Die Veranstalter drehten gedanklich an der Uhr: 21 Uhr, 21.30 Uhr, 22 Uhr. Alles zu früh. 22.30 Uhr könnte passen. Musste passen.

© Peter Rigaud

Um 18 Uhr war die Konferenz zu Ende gegangen. Der Pianist war da gerade im Anflug auf Berlin. Ein Mann aus dem Organisatoren-Team war da schon unterwegs mit dem Auto zum Flughafen.

22.30 Uhr. Die meisten der 250 Konferenzteilnehmer saßen wieder im Kuppelsaal. So ein Erlebnis darf man sich nicht entgehen lassen.

22.35 Uhr: Der Pianist ist unterwegs; es wird nichts mehr schiefgehen, sagen die Organisatoren.

Das Konzert beginnt ohne Klavier. Marie-Elisabeth Hecker spielt zwei Sätze aus den Cello-Sonaten von Johann Sebastian Bach. Alle im Saal spüren schon jetzt: Das ist ein außergewöhnlicher Abend, nicht nur wegen der späten Stunde.

Der erste Satz verklingt gerade, als ein älterer weißer Skoda vor dem Kulturforum Görlitzer Synagoge hält und einen jungen Mann mit dunklen Locken aussteigen lässt.

Ein bisschen müde sieht er aus nach seiner 17-stündigen Reise aus London nach Görlitz. Er nimmt seine Noten unter den Arm und nimmt ganz diskret in der letzten Reihe des Konzertsaals Platz. Martin Helmchen staunt über die Schönheit dieses Synagogenraumes aus dem Jahr 1911 – einmalig in Sachsen. Und er freut sich über das Cello-Spiel seiner Frau. Nach dem zweiten Satz der Bach-Sonaten geht er auf die Bühne, und unmittelbar wird spürbar: Hier ist ein Künstler zu erleben der die ganz großen Konzertsäle Europas kennt. Ebenso elegant wie prägnant beschreibt er das Programm des Abends, gibt dem Publikum feine musikhistorische Einordnungen.

Es ist fast Mitternacht, als die Marie-Elisabeth Hecker und Martin Helmchen den Tag nach enthusiastischem Applaus mit einer kleinen Zugabe von Fauré beenden.

Am morgen danach läuft zum Frühstück im Deutschlandfunk die Würdigung der „CD der Woche“ : Martin Helmchen und die Klaviersonaten von Franz Schubert.

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